„Eins, zwei, drei … los!“ Die 30 Frauen aus aller Herren Länder trappeln laut auf der Stelle. Dann springen sie gemeinsam nach vorn. Aufwärmübungen beim Theaterprojekt „Einfach Frei?!“.
Gelächter. „Jetzt ein paar Sprechübungen“, ruft Schauspieler Kai Bettermann und seine Kollegin Lene Harlan spricht vor: „Mühevoll malen wir Mehl mit Nüssen zu Mus.“ Verlegenes Gelächter. Eine der Frauen ruft halb verzweifelt: „Nein“. Der Satz ist schon für die Muttersprachlerinnen eine Herausforderung – aber auch die Migrantinnen in der Gruppe mühen sich tapfer. Die Frauen aus 15 Ländern erarbeiten derzeit ein Stück über „Freiheit“. Am Freitag und Samstag (5. und 6. Mai) ist es jeweils um 20 Uhr im Theater im Depot in Dortmund zu sehen. Das Projekt findet im Rahmen der Kampagne „Einfach frei“ zum Reformationsjahr statt und wurde vom Evangelischen Erwachsenenbildungswerk Westfalen und Lippe e.V. (EBW) und dem Evangelischen Bildungswerk Dortmund aus der Taufe gehoben. Das Theaterstück stellt Fragen und erzählt aus dem Leben, von Flucht, Träumen, (Zu)Wanderung und den Unterschieden. Auf der Bühne stehen zum einen die Schülerinnen des Evangelischen Bildungswerkes, die derzeit ihren deutschen Schulabschluss nachholen, und zum anderen Dortmunder Frauen, die sich auf einen Zeitungsaufruf gemeldet haben. Eine bunte Truppe. Hier treffen afrikanisches Gewand auf Dirndl und der Sari auf das glitzernde Kopftuch. Alle Akteurinnen haben ihren ganz eigenen Zugang zum Thema Freiheit. Sie haben anhand von Zitaten aus dem Drama Wilhelm Tell ihre eigenen Improvisationen zu Themen wie Unterdrückung und Befreiung oder Hoffnung entwickelt. Mit großer Ernsthaftigkeit stellen sich die Frauen den Schillerschen Sätzen und versuchen diese mit Leben – ihrem Leben – zu füllen. Das gelingt eindrucksvoll. „Eine tolle Gruppe, die sehr freudig mitspielt“, sagt Kai Bettermann über seine Akteurinnen und Lene Harlan ergänzt: „Diese Frauen haben wahnsinnig viel Energie.“ Probenpause. Kaffee im Foyer des Theaters im Depot. Man quatscht und lacht. „Es macht es sehr viel Spaß und wir nehmen das auch sehr ernst. Kai und Lene sind super“, lobt eine Teilnehmerin. „Es ist erst eine Überwindung, vor fremden Leuten zu spielen, aber jetzt geht das.“ Das gemeinsame Spiel wirke sich auch positiv auf das Miteinander in den Schulklassen aus, erzählt eine andere, und der Kontakt zu den Deutschen sei auch toll und herzlich. Nach der Pause steht das Gedicht „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke auf dem Programm. Wieder teilt sich die Gruppe in Kleingruppen und jede erarbeitet anhand des Gedichts eine Szene. „… als ob es 1000 Stäbe gäbe …“ – wieder so ein Zungenbrecher und doch ein Gedicht voller Kraft. Genauso sind die Szenen, die die Frauen erarbeitet haben. Man kriegt ein Gefühl für die verschiedenen Aspekte von Freiheit – Gänsehaut inklusive. Aus den einzelnen Szenen, die die Frauen im Laufe der dreimonatigen Proben entwickeln, haben die beiden Schauspielprofis Bettermann und Harlan ein szenisches Stück zusammengesetzt, das im Mai aufgeführt wird. Ein einmaliges Projekt, für das es keine Vorlage gab. Genau das macht den Reiz aus. Die Frauen selbst sind gespannt auf die Premiere live vor Publikum – und das Lampenfieber. „Einfach frei ?! – ein integratives Theaterstück“ 5. und 6. Mai jeweils 20 Uhr. Theater im Depot , Immermannstraße 29, 44147 Dortmund. Karten im Vorverkauf 12 Euro bzw. 8 Euro ermäßigt sowie an der Abendkasse 14 Euro bzw. 10 Euro ermäßigt. Kartenvorverkauf bzw. Anmeldung unter info@ebwwest.de oder Tel. 0231-540942. Direktlink zur Premierenveranstaltung. Das Projekt wird u. a. gefördert im Rahmen der Kampagne „einfach frei“ der Ev. Kirche von Westfalen, durch das Dortmunder Spendenparlament „spendobel“ und die Ev. Stiftung Protestantismus, Bildung und Kultur. Dieser Artikel wurde in der Kirchenzeitung "Unsere Kirche" - Ausgabe 16 vom 16.04.2017 - erstmals veröffentlicht. Der Text stammt von Gesine Lübbers.